"Wer bereits als Kind die Welt zwischen den Zeilen für sich entdeckt, geht auch später gern als Abenteurer durchs Leben." {Creativity First}

Dienstag, 10. November 2015

[Rezension] Make it count: Gefühlsgewitter (Ally Taylor)

Ally Taylor: Make It Count: Gefühlsgewitter 

Ein Roman wie eine US-Fernsehserie für junge Erwachsene. Nur irgendwie um einiges cooler, weil Tragik, Herzschmerz und bittersüße Erkenntnis eben in feinstem Buchformat für ein ausschweifendes Kopfkino sorgen.
Eine Geschichte, die absolut dazu im Stande ist, für einen donnergrollenden Leserausch in Blitzgeschwindigkeit zu sorgen.
An die Autorin von Herzen ein großes Dankeschön für diese wunderbar intensive Reise nach Oceanside ... und darüber hinaus! Ein Zusammenvergnügen, das unvergessen bleibt, liebe Ally alias Anne.

Dass nach der Erstveröffentlichung 2014 in Eigenregie Knaur nun rund eineinhalb Jahre später Katie und Dillens emotional aufgeladene Geschichte noch einmal in vollem Glanz aufblitzen lässt, stimmt mich rundum froh. Ein Dank an den Verlag für eines der hübsch ausgestalteten Exemplare der neu aufgelegten Edition! 

Cover: Knaur


~ Rezension ~

Auch die dunkelsten Wolken werden von einem alles erleuchtenden Blitz durchzogen ...

Katies Ankunft in Oceanside steht unter keinem guten Stern. Genauer genommen steht er unter gar keinem Stern mehr. Denn Katies Firmament wurde vor kurzem vollends zerschlagen, als sie ihren Dad durch ein tragisches Unglück verlor. Er war ihre größte Vertrauensperson, ihre immerwährende Stütze. Jetzt zwingt das Leben den Teenager dazu, kopfüber in eine Welt zu springen, die nicht die ihre ist: Katie muss den Sommer bei ihrer leiblichen Mutter, zu der sie keinerlei emotionale Bindung hat, und deren "neuen" Familie verbringen. Alles in Katie sträubt sich gegen diesen heiligen Schein, den das Leben in Oceanside suggeriert. Doch ebenso lernt Katie schnell, dass es auch hier Menschen gibt, die ihr gleichgesinnt sind. Allen voran ihr auf Konventionen pfeifender Stiefbruder Andrew. Als Katie an ihrem ersten Schultag an der Oceanside High dann noch dem undurchdringlichen Dillen sprichwörtlich in die Arme fällt, ist sie endgültig hin- und hergerissen.

Mit Make It Count: Gefühlsgewitter fegt Ally Taylor förmlich über die Bücherregale hierzulande hinweg. Sie bedient mit Fingerspitzengefühl Klischees und Fantasien und kombiniert diese mit zu Herzen gehender Wucht des Schicksals. 

Die siebzehnjährige Katie ist auf den ersten Blick das, was landläufig als mustergültig bezeichnet wird: klug, strebsam, chancenreich. Aber schnell wird deutlich, dass es mindestens genauso viele Dinge in ihrem Leben gibt, die alles andere als beneidenswert sind insbesondere ihre zerrütteten Familienverhältnisse samt dem Tod ihres geliebten Dads. Nicht weniger polarisierend wird Dillen, der männliche Protagonist, gezeigt. Er ist cool, äußerst beliebt und Mädchenschwarm erster Güte. Doch auch er kann den Schatten der Vergangenheit nicht entkommen. Seine größte Furcht: die Wahrheit.
Ally Taylor hat  ein Figurenensemble auf die Beine gestellt, das für ordentlich Zündstoff sorgt. Dunkle Geheimnisse und vehemente Sehnsüchte sind ebenso charakteristisch wie allzu menschliche Ängste und eine Risikobereitschaft, die vieles möglich macht.

Hierbei knistert es gehörig zwischen den Zeilen und der ausgelöste Flächenbrand entpuppt sich schnell als einnehmend. Dennoch gelingt Ally Taylor mit Leichtigkeit die Gratwanderung zwischen offensivem Kokettieren und aufrichtiger Hingabe. Der Bogen, der das experimentelle Jugendlichsein mit dem pflichtbewussten Erwachsensein verbindet, wird geschlagen und spricht an.

Mit Liebe zum Detail und typisch amerikanisch wird von der Autorin die Kulisse des Küstenstädtchens Oceanside wortmalerisch ausgestaltet. Doch auch hier gilt die Devise: Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Abgründe tun sich bekanntlich vor allem hinter einer Fassade auf, die beschaulicher kaum sein könnte.

Besonderes Augenmerk ist neben der inhaltlichen Bandbreite dieses Romans für Leser im jungen Erwachsenenalter verstärkt auf die schriftstellerische Umsetzung zu legen. Denn Ally Taylor zieht so einige Register. Ein Trumpf ihrerseits liegt zweifellos in graziler Bildhaftigkeit, mit welcher sie verheißungsvolles Kribbeln transportiert und gleichermaßen eine emotionale Grenze tangiert, die ins Mark trifft. Ganz nebenbei überzeugt der ungezwungene Jargon einer Generation, die im Begriff ist, sich (selbst) zu finden. Eine souveräne Stilsicherheit, die mich nachdrücklich beeindruckt. 

Alles in allem ein Roman im vorzüglichen US-Serienformat für (junges) Leserpublikum, das Liebe und Leid, Freundschaft und Loyalität, Hoffnung und zerplatze Seifenblasen aus der Sicht dynamischer Charaktere erleben möchte. 

FZIT: Verspielt. Entzündend. Präzise.