"Wer bereits als Kind die Welt zwischen den Zeilen für sich entdeckt, geht auch später gern als Abenteurer durchs Leben." {Creativity First}

Montag, 30. September 2013

[Rezension] Der Nachtwandler (Sebastian Fitzek)

Sebastian Fitzek: Der Nachtwandler 

Da mir ein gepflegter (Psycho-) Thriller von Zeit zu Zeit recht willkommen ist und ich bisher schon einiges (verstörend) Gutes über die Werke, mit denen Sebastian Fitzek seine Lesergemeinde zu überzeugen weiß, gehört habe, schlug nun mein Stündchen. Wenn schon, denn schon. Ich überlegte es mir daher nicht zweimal, als sich kürzlich die Gelegenheit ergab, "Der Nachtwandler"  (aus dem Hause Droemer Knaur) von ihm zu lesen.
Ein Buch, das es zweifelsohne in sich hat und eine Atmosphäre heraufbeschwört, welche selbst manche Grenze einer dunklen Fantasie zu überschreiten vermag. Ein Thriller, der den wachen Zustand seiner Leser empfiehlt ... 


~ Rezension ~

Wenn der Albtraum zur Realität und damit die Realität zum Albtraum wird.

Als ihn seine Frau Natalie überstürzt und vor allem gezeichnet von den brutalen Spuren ungezügelter Gewalteinwirkung verlässt, bricht für Leon eine Welt zusammen. Denn er ist vollkommen ahnungslos, wie es so weit kommen konnte. Doch ein grauenvoller Verdacht lässt ihn schaudern: Gerät sein nachtwandelndes Ich, das ihn seit seiner Kindheit im Schlaf unberechenbar macht, zusehends außer Kontrolle? Leon braucht Gewissheit. Dafür entschließt er sich zu einem mutigen Schritt, der ihm alles abverlangt und ihn in eine Welt katapultiert, die tiefste Abgründe zutage fördert. Leon ist fassungslos. Er droht den Verstand zu verlieren, als er erkennt, dass er allein mit sich und seinem schlafenden Ich ist. Ein Zustand, bei dem mit einem Schlag seine gesamte Existenz auf Messers Schneide steht und es um Leben und Tod geht.

Sebastian Fitzek ist für seine Psychothriller bekannt. In Der Nachtwandler seziert er förmlich die Düsternis, welche die menschliche Seele wie schwerer Teer, der einem die Luft zum Atmen nimmt, umhüllt.

Mit hoher Präzision und ohne ausufernde Umschweife kreiert Sebastian Fitzek eine unglaublich beängstigende Grundatmosphäre, der nicht nur der Hauptcharakter Leon wie betäubt ausgeliefert ist, sondern die im gleichen Maße den Leser fordert.

Die Kulisse – ein augenscheinlich gewöhnliches Mehrfamilienhaus – entpuppt sich rasch als gemauerte Hölle, deren Feuer heiß lodert. Zwielichtige Bewohner, eine unfassbar groteske Architektur und schauderliche Geheimnisse des Verborgenen bilden die Schlinge, welche sich immer enger um den Hals des erschütterten Protagonisten zieht.

Mithilfe der Thematik des Schlafwandelns baut der Autor auf einem Fundament auf, das die Grenzen zwischen real und abstrakt, plausibel und unerklärlich, gut und böse aufs Höchste verschwimmen lässt. Eine Tatsache, die in diesem Thriller zu einem markanten Stilmittel wird, das den Zündstoff für das zwischen den Zeilen explodierende Feuerwerk an Unglaublichkeiten liefert. Bis zum bitteren Ende (und darüber hinaus) erhält Sebastian Fitzek jenen Spannungsbogen, der sich durch Schmerz, Sehnsucht und Selbstinszenierung charakterisiert.

Für mich war während des Lesens vor allem die allumfassende Akribie, mit welcher der Autor die Konstante der Ungewissheit schildert, beeindruckend. Der damit am Leben erhaltene pulsierende Schwebezustand des schlafwandelnden Leons überträgt sich somit unmittelbar auf den Leser.

Ein Thriller, der ohne Zweifel alles andere als verschlafen daherkommt. Vielmehr werden menschliche Grundfeste erschüttert, Grenzen irreversibel überschritten und Grauzonen einer Schattenwelt geschaffen. Eine Lektüre, die dem Sprichwort „Licht ins Dunkel bringen“ einen herben Beigeschmack gibt.

F★ZIT: Akribisch. Erschreckend. Manipulativ.