"Wer bereits als Kind die Welt zwischen den Zeilen für sich entdeckt, geht auch später gern als Abenteurer durchs Leben." {Creativity First}

Montag, 1. Juli 2013

[Rezension] Me Before You (Jojo Moyes)

Jojo Moyes: Me Before You
[deutscher Titel: Ein ganzes halbes Jahr]

Dass dieses Buch einen Platz in meinem Herzen okkupieren würde, hatte ich im Vorfeld bereits vermutet ... Ich sollte Recht behalten. Einnehmender, sympathischer und gefühlsbetonter hätte Jojo Moyes kaum schreiben können. Bleibt mir nur zu sagen, dass diese exzellent ausgelegten Köder ihre vollkommene Wirkung erfüllt und mich eingefangen haben. Jojo Moyes zählt fortan zu den Schriftstellerinnen, vor denen ich mich in Acht nehmen muss, wenn ich die Tragfähigkeit meines Bücherregals betrachte, denn sie schreibt sagenhaft gut und trifft dabei nur allzu zielsicher in mein Herz.


~ Rezension ~

Der eine Mensch, der dein Leben für immer verändert.

Als die quirlige Lou Clark ihren Job im Café verliert, ahnt sie nicht, dass nur wenige Meter weiter die Herausforderung ihres Lebens auf sie wartet. Denn sie macht Bekanntschaft mit der wohlhabenden Familie Traynor, die ein schweres Schicksal trägt: Will, einst Lebemann und erfolgreicher Karrieremensch, ist seit einem Unfall vor zwei Jahren Quadriplegiker und damit auf eine Rundumbetreuung angewiesen. Als die Familie Lou für sechs Monate mit der Aufgabe einstellt, Will eine gute Gesellschaft zu sein, beginnt für zwei Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, eine gemeinsame Reise, deren Höhen beflügeln und deren Tiefen Lou den Boden unter den Füßen wegzureißen drohen.

Eine Explosion der tiefen Emotionen hat Jojo Moyes mit Me Before You zu Papier gebracht. Eine Geschichte, deren Kompaktheit den Leser mitreißt!

Mit den markanten Lebenswegen der beiden charismatischen Protagonisten, die sich kreuzen, steckt die Autorin den Rahmen für eine ergreifende Erzählung ab. Auf der einen Seite zeichnet sie Lou, die auf der ewigen Suche nach ihrer Berufung ist und dabei vergisst mutig zu sein. Ihr gegenüber steht Will, dessen Alptraum der verlorenen Selbstbestimmung ihn täglich aufs Neue in die Knie zwingt und dem er mit einer Fassade aus Gleichgültigkeit und Sarkasmus begegnet. Für mich als Leser war es eine Wonne mitzuerleben, dass sich diese zwei Charaktere geradewegs wie die ineinander greifenden Zahnrädchen eines Uhrwerks ergänzt haben.
Um die Kulisse um jenes besondere Protagonistenpaar zu bereichern, verlieh Jojo Moyes auch den übrigen Figuren jeweils eine prägnante, zum Teil polarisierende Schlüsselrolle.

Der Grundtenor der Geschichte entspricht einer ausgezeichneten Palette, deren Bandbreite (Galgen-) Humor und Ehrgeiz, Verzweiflung und Resignation, tiefe Hingabe und bitteren Erkenntnisreichtum in sich birgt. Eine Komposition, welche unter die Haut und direkt zu Herzen geht.

Einfühlsam und entschlossen zugleich widmete sich die Autorin einer Gewissensfrage, die aufwühlt, zu Tränen rührt und mitfühlen lässt. Der perspektivenreiche Schreibstil des Romans eröffnet wunderschöne Sichtweisen, deckt unumwunden Schmerzhaftes auf und betont auf einzigartigem Wege die Faszination, gefühlt, geliebt und gelebt zu haben. Hinzu kommt eine lockere, ehrliche und tiefgründige Eloquenz umhüllt von inspirierenden Weisheiten, die mich schlichtweg um den Finger gewickelt hat.

Das stete Ticken der davonrinnenden Zeit im Hinterkopf – schließlich ist ein ganzes halbes Jahr nicht unendlich – sowie das damit verbundene Hoffen und Bangen, Wünschen und Leiden tauchen die Geschichte in ein prickelndes Licht, dessen Schatten andererseits nicht minder intensiv ist. Hochemotional und damit exakt wie für mich gemacht!

Ein Roman, der durch eine hervorragend eingefangene Schicksalshaftigkeit besticht, die, abseits aller Fiktion, realer denn je wirkt und damit eine Authentizität erster Güte besiegelt.


F★ZIT: Aufwühlend. Federleicht. Holistisch.