"Wer bereits als Kind die Welt zwischen den Zeilen für sich entdeckt, geht auch später gern als Abenteurer durchs Leben." {Creativity First}

Freitag, 19. April 2013

[Rezension] Der langsame Walzer der Schildkröten (Katherine Pancol)

Katherine Pancol: Der langsame Walzer der Schildkröten 

Wie ein frisches Baguette, das außen knusperig und innen pflaumenweich ist, kann sich der Leser - vorzugsweise wohl die Leserin - diesen Roman auf der Zunge zergehen lassen. Zumindest transportiert er eine gehörige Portion (französisches) Lebensgefühl - in all dessen Länge und Breite. Bei mir hat dieses Stück anspruchsvoller Literatur, das dennoch kurzweilig zu unterhalten weiß, auf jeden Fall einen positiven Eindruck hinterlassen können.


~ Rezension ~

Zwischen Melancholie und Hochgefühl

Als erfolgreiche Schriftstellerin hat es Joséphine Cortès geschafft, sich einen Namen zu machen. Dennoch bleibt sie die bodenständige Frau und Mutter zweier heranwachsender Töchter, die sie stets war. Ihr persönliches Glück stellt sie immerfort hinten an.
Doch nachdem einige familiäre Schicksale und ein vereitelter Mordanschlag ihr Leben erschüttert haben, fasst sie den Entschluss, sich der Liebe zum Leben und zu einem Mann wieder offen zu zeigen. Allerdings bleibt diese Entscheidung nicht ohne Folgen und wird ungeahnt zu einem Spiel mit dem Feuer.

Der langsame Walzer der Schildkröten greift die Vielseitigkeit des Lebens auf unterhaltende Weise auf. Dabei liegt die größte Stärke in der punktgenauen Wiedergabe von Emotionen aller Art. Es werden Hingabe und Zielstrebigkeit genauso ehrlich herausgestellt wie Boshaftigkeit und tödliche Besessenheit. Jugendliche Naivität findet gleichermaßen Raum zur Entfaltung wie verbitterter Starrsinn. Beständigkeit steht der immerwährenden Wandelbarkeit gegenüber.

Die Figuren, welche die Autorin in die perspektivenreiche Handlung einbettet, stechen größtenteils durch eine präzise gezeichnete Extravaganz oder Undurchdringlichkeit heraus. Die Geschichten der einzelnen Charaktere könnten allein für sich stehen, ergeben durch ein Zusammenfügen allerdings erst das abgerundete Ganze.
Stilistisch betrachtet wechseln sich dramatische Komponenten mit humoristischen und philosophisch angehauchten Einblicken in das menschliche Sein ab. Aufflackernde Leidenschaft lässt sich ebenso entdecken wie egozentrische Züge und kriminelle Energien.

Ich mochte besonders die Moral, die diesem Werk zugrunde liegt: Im Verborgenen liegt das Unergründliche, das für den einen bestimmt ist zu erfahren, für den anderen nicht.
Katherine Pancol fing mit diesem Roman eine tiefschichtige Familiengeschichte ein, die nicht nur entzückt oder entsetzt, sondern darüber hinaus ein für den Leser beinahe greifbares Lebensgefühl vermittelt. Dies macht das Buch, welches seine potentiellen inhaltlichen Längen gut zu kaschieren weiß, über die Handlung heraus sehr lesenswert.

F★ZITCharismatisch. Bedeutungsvoll. Filigran.